Der kindliche Spracherwerb ist ein faszinierender Prozess, bei dem Kinder innerhalb eines begrenzten Zeitfensters die sprachlichen Strukturen ihrer Muttersprache mühelos lernen. Kinder bringen angeborene Fähigkeiten zum Spracherwerb mit. Damit sich jedoch diese Fähigkeiten entfalten können, ist das sprachliche Angebot aus der Umgebung wichtig. Der Spracherwerb beginnt bereits vor der Geburt und mit etwa 5 Jahren gelten die sprachlichen Meilensteine als erworben. Die Wahrnehmung, die Konzentration, die Persönlichkeitsentwicklung, die Entwicklung des Spielverhaltens sowie die Teilhabe am Leben hängen von der Kommunikationsfähigkeit eines Kindes ab. Die Sprachentwicklung stellt außerdem eine wichtige Basis für den Erwerb von Lesen und Schreiben dar.
Die sprachliche und sozial-kommunikative Entwicklung durchlaufen nicht alle Kinder altersentsprechend. Sprachentwicklungsstörungen können isoliert oder in Verbindung mit Beeinträchtigungen in anderen Entwicklungsbereichen, in Kombination mit unterschiedlichen Erkrankungen sowie mit sozio-kulturellen oder psychischen Auffälligkeiten auftreten. Oftmals kann auch eine Hörproblematik die Ursache einer Sprachentwicklungsstörung sein. Bei Kindern die mehrsprachig aufwachen, spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung, wenn sich die sprachlichen Defizite in beiden Sprachen zeigen, also auch die Muttersprache betreffen.
Wann ist eine Therapie sinnvoll?
Wenn sich bei Ihrem Kind ein verspäteter Sprechbeginn oder Schwierigkeiten im Sprach- und Sprecherwerb zeigen, dann ist eine Therapie sinnvoll. Die Aussprache (zB die fehlerhafte Bildung von Lauten oder die Vertauschung, Ersetzung und Auslassung von Lauten), der Redefluss, der Wortschatz, das Sprachverständnis, die Wortfindung, die Grammatik (zB die Satzstellung), das Erzählen von Geschichten oder die alltägliche sprachliche und nichtsprachliche Interaktion können hierbei auffällig sein. Je früher eine logopädische Therapie gestartet wird, desto besser sind die sprachlichen Defizite auszugleichen. Als Eltern spielen Sie bei der Behandlung Ihres Kindes eine wichtige Rolle. Es ist mir wichtig, Sie durch regelmäßige Elterngespräche und Anleitungen zum Üben für zu Hause in den Therapieprozess zu integrieren.
Stottern und Poltern
Sprechunflüssigkeiten kommen bei vielen Kindern während der Sprachentwicklung physiologisch vor. Manchmal aber kann aus entwicklungsbedingten Sprechunflüssigkeiten ein „richtiges“ Stottern entstehen. Stottern ist eine Redeflussstörung, bei der es beim Sprechen zu unfreiwilligen und nicht kontrollierbaren Unterbrechungen durch häufige stumme oder stimmhafte Blockierungen, schnelle Wiederholungen oder Dehnungen von Lauten oder Silben kommt. Zudem zeigt sich eine übermäßige Anstrengung beim Sprechen und es können sichtbare Begleitsymptome auftreten (zB Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur oder Körperbewegungen), welche aus der Bemühung entstehen, das Stottern zu unterdrücken oder zu vermeiden. Oftmals kommen auch stotterfreie Phasen vor. Man geht davon aus, dass es eine genetische Veranlagung sowie organisch-konstitutionelle Faktoren für Stottern gibt. Bei manchen Kindern können auch eine schnelle Sprachentwicklung oder besondere Lebensereignisse einen Einfluss auf die Sprechflüssigkeit haben.
Beim Poltern handelt es sich hingegen um eine Störung der Sprach- und Sprechverarbeitung, die zu schnellem, unrhythmischem, unorganisiertem und häufig unverständlichem Sprechen führt. Die wichtigsten Symptome des Polterns sind ein schnelles und unregelmäßiges Sprechtempo und dadurch auftretende sprachliche Veränderungen, wie etwa Laut- und Silbenverschmelzungen oder Satzabbrüche. Häufig kann der Zuhörer nur schwer einen „roten Faden“ erkennen. Das Sprechen hört sich oft hastig und monoton an. Poltern kann aber auch als Unsicherheit oder Unruhe beim Sprechen auftreten. Kinder, die eine Poltersymptomatik aufweisen, haben oftmals kein Störungsbewusstsein, die Sprechfreude ist meist sogar sehr groß. Ein Missverhältnis zwischen der Sprechgeschwindigkeit und der Gedankenfolge können Auslöser für Poltern sein. Dies bedeutet, dass sprachliche Äußerungen, bevor ihre Planung abgeschlossen ist, bereits gesprochen werden.
Wann ist eine Therapie sinnvoll?
Nicht jedes Kind mit einer Redeflussstörung braucht eine Therapie. Wenn Ihr Kind nach dem Spracherwerb stottert, Ihr Kind noch im Spracherwerb ungünstige Strategien zur Überwindung der Stotter- oder Polterereignisse entwickelt, wenn es psychische Reaktionen zeigt wie etwa Frustration oder sprachlichen Rückzug oder es vom Umfeld schwer verstanden wird, dann ist eine logopädische Therapie sinnvoll.